Weisse Strände, postkartenartige Sonnenuntergänge und (fast) immer ein strahlend blauer Himmel: Das muss sie sein, die kleine philippinische Insel Boracay, von der ich bisher nur Schwärmereien gehört habe. Und die Leute sollten Recht behalten. Hat man erst die etwas andere Anreise hinter sich, wähnt man sich im Paradies. Ein Paradies allerdings, dass bald aus den Fugen geraten könnte.
Es gibt bekanntlich viele Wege nach Rom. Genauso verhält es sich auch mit der Anreise nach Boracay. Die Insel ist von Manila aus nämlich nur auf dem Wasserweg erreichbar – eben eine Insel halt. Und so fliegt man zum Beispiel mit Philippine Airlines, Cebu Pacific Airlines oder Zest entweder nach Caticlan oder Kalibo auf der Nachbarinsel. Wir haben uns für den Flug nach Kalibo entschieden, nicht nur, weil wegen der grösseren Flugzeuge auch mehr Gepäck (15 Kilo statt nur 10 Kilo) mitgenommen werden kann, sondern auch weil die Tickets meist viel günstiger sind (in unserem Fall nur einen Viertel des Ticketpreises nach Caticlan). Allerdings: Von Kalibo muss man dann einen rund 1 ½-stündigen Transfer per Minibus oder Reisecar auf sich nehmen. Dafür sammelt man während der Transferfahrt weitere Eindrücke der Philippinen.
Wilder Ritt im Minivan
Der Entscheid, für den Transfer einen Minibus anstatt des bequemen Reisecars zu nehmen, entpuppte sich allerdings als Fehler, wie sich gleich herausstellen sollte. Nicht nur, dass der Fahrer knapp eine Stunde lang versuchte, seinen Van vollzukriegen, kaum abgefahren zeigte er uns auch seine Fahrkünste mit waghalsigen Überholmanävern trotz Gegenverkehr und ziemlich heiklen (Kurven-) Geschwindigkeiten. Die Beule am Kopf, die ich trotz Sicherheitsgurt vom Kontakt mit dem Dach des Minivans davontrug, zeugte noch einige Tage vom Fahrstil und der Qualität der philippinischen Strassen.
Im Hafen von Caticlan angekommen gilt es dann, so schnell wie möglich auf eine Fähre Richtung Boracay zu kommen. Das geht auch Ruckzuck – zumindest, sobald man begriffen hat, dass man an Schalter 1 eine Terminal Fee und an Schalter 2 (einen Schritt nach rechts bitte) die Environmental Fee zu bezahlen hat. Nach rund 10 Minuten Fahrt ist Boracay dann erreicht und ab gehts mit einem Tricycle zum Hotel – in unserem Fall zum Red Coconut Beach Hotel, das direkt am Strand liegt und nur durch einen Gehweg im Sand vom Meer getrennt ist. Grosser Vorteil der Hotels am Strand: Kein Geknatter, kein motorisierter Verkehr weit und breit, denn Tricycles und andere motorisierten Fahrzeuge dürfen nur auf den befestigten Strassen im Inselinnern verkehren. Ein schöner Luxus, den man schon nach kurzer Zeit nicht mehr missen möchte.
Da waren wir nun also, auf Boracay, der Insel, von der selbst Filipinos, die noch nie auch nur in der Nähe des Inselparadieses waren, in höchsten Tönen schwärmen. Und tatsächlich: Es ist, als wäre man im Paradies. Weisse Strände (der Strand White Beach macht seinem Namen alle Ehre), glasklares Wasser und – was mich fast am meisten erstaunte – keine von Touristen überlaufene Strände. Liegestuhl Nummer 15 in Reihe 28? Gibts nicht – zum Glück!
Und so dauert es nicht lange, bis man sich dem zeitlosen Treiben auf der Insel hingibt und dabei vergisst, wie schnell die Tage vorübergehen. Am Strand, wo man sich fragt, ob das mit diesem weissen Sand und dem kristallklaren Meer echt ist. Im Wasser, wo einem Fische in einem kleinen Schwarm um die Füsse schwimmen (und mich, als ich das beim ersten runterschauen bemerkte, erst etwas erschreckt haben). Oder beim abendlichen Drink an einer Bar, wo man Sonnenuntergänge sieht, die es eigentlich nur auf Postkarten gibt.
Lärm ist übrigens auch abends in den Strandhotels kein Problem – zumindest, solange man nicht um 20 Uhr schlafen will. Zwar gibt es alle paar Meter Open-Air-Restaurants und Bars mit Live-Musik oder DJ, doch alle schliessen um Mitternacht. Danach gehts für die, die noch nicht genug haben, nur noch in geschlossenen Räumen weiter. Und dann hört man im Hotelzimmer höchstens noch das Meeresrauschen.
«Hey Boss, Parasailing?» – «A massage for you, Sir?»
Und doch: So einzigartig sich Boracay anfühlt, so wie vor 20 Jahren, als die Insel selbst unter Backpackern noch ein Geheimtipp war, ist es (natürlich) nicht mehr. Während man am Tag am Strand mehrheitlich in Ruhe gelassen wird, gleicht der abendliche Spaziergang entlang den Restaurants und Geschäften einem Spiessrutenlauf: Die zahllosen, teilweise aggressiven Verkäufer, die einem alle paar Meter einen Bananaboat- oder Segeltrip, eine Tauch-Exkursion, einen Jet-Ski-Ritt, eine Massage oder ganz einfach Hüte oder Sonnenbrillen (Hey, ich trag schon eine!) verkaufen wollen, machen einem das (Touristen-) Leben etwas schwer. Was man anfangs mit Nein danke freundlich ablehnt und später vermeintlich gekonnt ignoriert, wird, je länger man damit konfrontiert wird, einfach nur nervig.
Immerhin: Selbst auf der Insel erkennen immer mehr Locals, dass die Verkäufer, aber offenbar auch der Verkehr und illegales Fischen, zum Problem werden. In der Inselzeitung erschien just während unseres Boracay-Aufenthaltes ein Aufruf dazu, das Konzept des Paradieses beizubehalten – bevor es zu spät ist.
Damit wir uns richtig verstehen: Ich hab kein Problem damit, ab und zu mal angesprochen zu werden. Wenn der abendliche Spaziergang aber zum Spiessrutenlauf um die Verkäufer wird und man innert 10 Minuten über zwanzig Mal (gezählt!) eine Karte mit den Wassersportangeboten und die Nase gehalten bekommt (und teilweise mehrere Meter verfolgt wird), wirds mühsam. Leider…
Doch trotz diesem Wehrmutstropfen: Boracay ist unbedingt eine Reise wert. Die sensationelle Kulisse, gepaart mit echten Inselfeeling, ergibt eine Mischung, an die man noch lange zurückdenkt.