Die litauische Hauptstadt Vilnius ist ein Geheimtipp. Anstatt auf Touristenmassen trifft man auf eine tolle Stadt, die sich herausputzt und trotzdem ihre Ursprünglichkeit bewahrt. Und damit das Zeug hat, schon bald auf dem Radar der Städtereisenden aufzutauchen.
Man glaubt ja immer, in Europa schon (fast) alles gesehen zu haben. Hätte man mich vor ein paar Wochen gefragt, was mir zu Vilnius einfällt, hätt ich nur mit den Schultern zucken können. Ja, irgendwo im Baltikum, klar. Aber sonst wusste ich so gut wie gar nichts über die litauische Hauptstadt.
Geheimtipp Vilnius
Steht man dann erst mal auf dem Kathedralenplatz von Vilnius, weiss man, dass man es mit einem Geheimtipp zu tun hat. Überall sonst wäre der prächtige Platz, gleich neben der erzbischöflichen Basilika, die übrigens die erste Kirche Litauens überhaupt war, von Touristen belagert. Doch im Dreieck zwischen Glockenturm, Innenministerium und dem Burghügel sind nur wenige Touristen zu sehen.
Dabei hat Vilnius, flächenmässig die grösste Stadt im Baltikum, eine bewegte Geschichte hinter sich und gilt heute als Stadt der Kirchen und des Barock. Fast 50 zumeist liebevoll restaurierte, prachtvolle Kirchen lassen den Besucher immer wieder staunen. Etwa die mit 33 verschiedenen Ziegelarten im spätgotschen Baustil erbaute Annakirche, die mit der gleich nebenan liegenden Bernhardiner-Kirche das sogenannte Gothische Ensemble bildet. Auf dem Hügel gleich hinter dem Glockenturm und der prachtvollen Kathedrale St. Stanislaus und St. Ladislaus steht mit dem Gediminas-Turm ein weiteres Wahrzeichen der Stadt. Den Turm sollte man übrigens unbedingt erklimmen, denn von dort oben gibt es einen tollen Rundumblick auf die Stadt.
Klar, den typischen Plattenbauten aus alten Sowjetzeiten begegnet man auch heute noch da und dort. In der bezaubernden Altstadt, die die Unesco 1994 zum Weltkulturerbe ernannt wurde, ist davon allerdings nichts zu sehen.
Im Gegenteil, der Bummel durch die herausputzte Altstadt ist voller Überraschungen. Schicke Cafés, allerliebst eingerichtete kleine Läden und hinter jeder Ecke wieder etwas neues zu entdecken. Wer rechnet beim Bummel durch Vilnius schon damit, plötzlich vor einer Mauer mit vielen Kunstgegenständen zu stehen, deren Grund sich einem nicht sofort erschlisst? Erst wenn man merkt, dass man sich an der Literatenstrasse befindet und die Mauer eine Hommage an alle ist, die mit Litauens Literaturgeschichte in Verbindung stehen.
Künstlerrepublik Užupis
Galerien, Bars, Lebens- und andere Künstler finden sich auch im Künstlerviertel Užupis am Rande der Altstadt. Dort hat man gar die Unabhängigkeit von Litauen erklärt und besitzt nicht nur eine eigene Flagge, sondern auch eine eigene Währung und eine Verfassung. Ja sogar eine eigene Armee habe man früher gehabt, wird mir im Café am „Regierungssitz“ erzählt. Allerdings, so erfahre ich augenzwinkernd, hätte niemand Angst vor der zwölf Mann starken Armee gehabt – weshalb man sie halt wieder aufgelöst hätte. Künstler halt…
Übrigens: Wer seinen Besuch in Užupis verewigt haben möchte, erhält im Café auf Wunsch auch einen Einreisestempel. So wie es sich gehört, wird dieser bevorzugt in den Pass des Besuchers gestempelt. Was der nette Einreisebeamte bei der nächsten Reise in die USA beim Anblick des Stempels aber sagt, wurde mir bislang nicht überliefert…
Apropos Essen
Wenn es Abend wird in Vilnius, füllen sich die Bars und Restaurants der Hauptstadt. Auch Esten und Letten kommen gerne nach Vilnius um ins Nachtleben einzutauchen. Wer Hunger hat, findet an jeder Ecke etwas zu essen. Hier geht’s vor allem deftig zu und her, Kartoffeln und Fleisch gehören auf jeden litauischen Teller. Auch das litauische Nationalgericht Cepalinai, ein mit Fleisch gefüllter, gekochter Kartoffelknödel, findet sich auf praktisch jeder Speisekarte. Wer kulinarisch mutig genug ist, kann sich auch an einen geschmorten Braten wagen: Vom einheimischen Bieber, versteht sich.
Tagesausflug nach Trakai
Auch wenns in Vilnius nicht gerade hektisch zu und hergeht: Wem der Kopf nach etwas mehr Entschleunigung steht, dem empfehle ich einen Ausflug ins rund dreissig Kilometer entfernte Trakai. Das Wasserschloss aus dem Spätmittelalter, das mitten in einer Seenlandschaft thront, ist wunderschön, auch wenn das Innere ausser einem typischen Museum nicht viel bietet. Die Umgebung mit See ist dafür umso sehenswerter.
Einer der Gründe weshalb Litauen, der südlichste der drei baltischen Staaten, bislang bei Städtereisenden auf der Landkarte fehlte, dürften die Flugverbindungen ins Land sein. Nach dem Konkurs der Fluggesellschaft Air Lithuania (später flyLAL) Anfang 2010 fielen viele Direktverbindungen nach Vilnius weg. Mit ein Grund, wieso Litauen bisher jährlich nur knapp 1,3 Millionen ausländische Besucher zählt. Seit Juni 2016 sorgt Germania Schweiz nun mit einer neuen Direktverbindung zwischen Zürich und Vilnius (jeweils montags und donnerstags) für neuen Schub.
(Disclosure: Die Reise fand auf Einladung von Germania Schweiz statt.)