Das polnische Krakau gilt hierzulande bisher nicht als hippe Städtreisedestination. Zu unrecht, denn die mit rund 800’000 Einwohner doppelt so grosse Stadt wie Zürich hat vor allem für kulturell und geschichtlich Interessierte viel zu bieten. Praktisch: Der allergrösste Teil der Krakauer Sehenswürdigkeiten lässt sich in Gehdistanz erreichen.
Zugegeben, die zweitgrösste Stadt von Polen hatte ich bisher nicht auf meinem Radar. Und trotzdem musste ich nicht lange überlegen, als ich gefragt wurde, ob ich mir Krakau, dessen Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, bei einem Kurzaufenthalt mal ansehen möchte. Zu sehr hat es mich gereizt, in eine Stadt einzutauchen, über die ich so gut wie nichts wusste. Klar, historisch Bewanderte unter euch mögen nun die Nase rümpfen, schliesslich hat Krakau eine bewegte Geschichte hinter sich. Davon zeugen nicht nur die vielen Bauwerke aus Epochen wie der Gotik, der Renaissance, des Barocks oder Jugendstil, die es im Stadtkern fast an jeder Ecke zu entdecken gibt, sondern auch Mahnmale und Museen, wie etwa die ehemalige Fabrik von Oskar Schindler (hey, wer kennt den Film «Schindlers Liste» nicht?), die eine Ausstellung zum Leben der Polen und Juden während der deutschen Besatzung beherbergt.
Eines musste ich aber gleich zu Beginn des Kurztrips feststellen: Als Besucher, der auf den ausgetretenen Touristenpfaden wandelt, ist man nie allein. Wirklich nie! Kein Wunder, denn Krakau besuchen rund 8 Millionen Touristen jährlich. Eine Zahl, die sich auf Erkundungstour durch die Stadt nur zu gut nachvollziehen lässt. Schulklassen, so weit das Auge reicht, lange Schlangen vor den Eingängen zu Kirchen und Kathedralen und nie, aber auch gar nie, eine Chance, irgend eine Sehenswürdigkeit abzulichten, ohne dass sich noch andere Personen auf das Foto drängen.
Hat man die schiere Menge an einem ständig umgebenden Menschen erst mal verdaut, kann der Rundgang beginnen. Zum Beispiel auf dem Wawelhügel, der neben dem Königsschloss auch die Wawelkathedrale beherbergt.Wer die eindrückliche Kathedrale (absolutes Foto- und Sprechverbot, das von Angestellten auch strikt überwacht wird, wie ich selber feststellen durfte) besuchen und die langen Warteschlangen umgehen will, tut gut daran, sich bereits frühmorgens auf die Socken zu machen um pünktlich zur Türöffnung um 9 Uhr vor Ort zu sein.
Vom Wawelhügel geht es in einem rund 10-minütigen Spaziergang durch die Altstadt zum Rynek Glówny, dem Krakauer Marktplatz. Spätestens jetzt wird einem klar, dass auch Karol Wojtyla, besser bekannt als Papst Johannes Paul II, in der jüngsten Geschichte von Krakau eine bedeutende Rolle spielte, denn der Weg durch die Kanonicza Strasse führt an dem Haus vorbei, in dem er als Erzbischof Krakaus lebte und auch in Hinterhöfen ist immer mal wieder das Konterfei des früheren Papstes zu erhaschen.
Auf dem Marktplatz ist ein Gang durch die Markthalle Pflicht, aber auch dem höheren der beiden Türme der Marienkirche solltet ihr mehr als einen Blick widmen. Jeweils zur vollen Stunde bläst von dort nämlich ein Trompetenspieler das Hejnal aus den Fenstern in alle vier Himmelsrichtungen. Wohl der letzte vollamtliche Trompeterjob in solcher Höhe…
Kazimierz, das „alte Judenviertel“, dass sich in weiteren 10 Minuten Spaziergang erreichen lässt und in dem Teile des Films «Schindlers Liste» gedreht wurden, kann man sich hingegen getrost sparen. Ausser einer Ansammlung von jüdischen Restaurants (und ok, zugegeben, einer Synagoge, einigen kleinen Museen und den obligaten Souvenirständen) lässt sich dort nur wenig interessantes entdecken.
Dafür findet man rund 10 Kilometer ausserhalb der City die Salzmine «Wieliczka», in der man mit geführten Touren bequem und auf stabilen Holztreppen bis in 135 Meter Tiefe vordringen kann. Von den neuen Ebenen können deren drei besichtigt werden und man begegnet schon mal Bergarbeitern, die in den tieferen Ebenen nach wie vor ihrem täglichen Broterwerb, dem Salzabbau nachgehen. Aber auch die ersten drei Ebenen, die man auf der rund 4,5 Kilometer langen, geführten Tour zu Fuss erkundet, bringen einem immer wieder zum Staunen. Denn der Weg führt nicht nur durch unendlich lange, mit sichtbaren Salzablagerungen gespickte Gänge, sondern auch vorbei an Salzfiguren, Kronleuchter aus Salz und einer über 50 Meter langen Kapelle, in der sogar der Altar aus… na klar, Salz gehauen wurde.
Fazit: Wem die ununterbrochene Konfrontation mit Geschichte nicht zu viel wird, sich stundenlang in Museen umsehen kann und sich auch von den allgegenwärtigen Touristenscharen nicht stören lässt, findet in Krakau genau das, was er will. Für mich persönlich war das dann doch etwas zu viel des Guten. Aber vielleicht hätt ich mich auch eher nach den „In-Lokalen“ der gerade unter Studenten sehr bekannten Stadt umschauen sollen, anstatt mich im Mainstream-Touristendschungel fortzubewegen. Vielleicht bei einem nächsten Mal…
(Disclosure: Der Aufenthalt wurde vom Polnischen Fremdenverkehrsamt unterstützt. Besten Dank! Davon ungeachtet widerspiegelt der Bericht ausschliesslich meine persönlichen Eindrücke.)