Da ist man einmal in New Orleans, doch findet kaum Zeit, die Stadt auf eigene Faust zu erkunden. Dabei hätte es The Big Easy, wie New Orleans auch genannt wird, so einfach gehabt, mich mit seiner karibikähnlichen Art um den Finger zu wickeln.
Kennt ihr das? Ihr seid in einer fremden Stadt, findet aber gar keine Zeit, die City auch nur ansatzweise auf eigene Faust zu entdecken? So erging es mir kürzlich in New Orleans, als ich an eine Messe reiste. Alles perfekt durchorganisiert: Bereits am Flughafen stehen Shuttlebusse bereit, die einem vom Flughafen zum Hotel, vom Hotel zum Messegelände, vom Messegelände zum Hotel und vom Hotel zu den täglich wechselnden Abendaktivitäten bringen. Ungemein praktisch an langen Messetagen, an denen man sich die Füsse in den Messehallen wundläuft. Aber mit jedem neuen Tag steigt auch die Erkenntnis, dass man sich aus den organisierten Zwängen loseisen sollte. Bis, ja bis es dann zu spät ist und bereits der Abreisetag da ist.
Dabei ist New Orleans durchaus eine Reise wert. Ihren Übernamen als „Wiege des Jazz“ kann die Stadt nur schlecht verstecken, im Gegenteil: Wahrscheinlich ist es genau das, was dieses New Orleans-Feeling am Ende ausmacht. Alles ist hier ein bisschen gemütlicher, überall ansteckende Lebensfreude und immer irgendwo Musik.
Bourbon-Street? Kann man – muss man aber nicht
Dass man dabei eher früher oder später einmal auf der berühmt berüchtigten Bourbon Street landet, ist zwar logisch – aber eigentlich gar nicht nötig. Zwar ist dort die Live-Band-Konzentration so hoch wie nirgends in der Stadt, aber das ganze erinnert am Ende dann doch sehr an eine Touristen-Meile. Wer auch nur ein bisschen abseits der Bourbon Street durch das French Quarter schlendert, wird mit einer tollen, karibisch-kolonial angehauchten Architektur, authentischen Bars, Restaurants und liebvoll eingerichteten Shops belohnt. Und fühlt sich – versprochen – ausserhalb der trinkfreudigen Touristenmassen auch einiges wohler. Unaufgeregt eben, so wie die Stadt sich ausserhalb der Bourbon Street gibt.
Zurück in die Vergangenheit – Steamboat
Von der Bourbon Street ist es nur ein kleiner Spaziergang bis zum Ufer des Mississippi, wo auch der berühmte Raddampfer anlegt. Eine Fahrt mit dem Steamboat Natchez kann ich euch auf alle Fälle empfehlen.
Ja klar, eine Schifffahrt, ich seh euch schon die Nase rümpfen. Doch obwohl der Dampfer „erst“ 1975 nach dem Vorbild älterer Schiffe gebaut wurde, macht sich sofort Nostalgie breit, wenn sich die Wasserschaufeln zu drehen beginnen. Während drinnen das Musiktrio zum ersten Jazzsong ansetzt, steigt draussen auf dem Deck ein seltsames, historisches Gefühl in einem hoch. Und ist man erst einmal gemütlich auf dem Mississippi unterwegs, ist es mit der Südstaaten-Romantik nicht mehr weit.
Ab in den Streetcar!
Zurück von der Waterfront in die Stadt schnappt man sich am besten gleich nochmals ein Gefährt mit viel Geschichte: Einen Streetcar. Die Ursprünge dieser Strassenbahn liegen weit zurück. Auf der Canal Street verkehrten die Streetcars bereits zwischen 1861 und 1964. Dann beschloss man, die Linie durch Busse zu ersetzen. Erst 2004 entdeckte man den Charme der Strassenbahn wieder und eröffnete die Linie auf der Canal Street neu. Doch nur ein Jahr später wurden die Wagen der Linie durch Hurricane Katrina schwer beschädigt. Erst 2009 konnten die restaurierten roten Wagen auf der Canal Street-Linie wieder in Betrieb genommen werden.
Was mir bleibt ist die Erkenntnis, mich eben doch öfters aus organisierten Zwängen loszueisen. Und dass ich New Orleans unbedingt noch einmal sehen will…