Thessaloniki: Die Braut, die sich traut

Tristes Wetter, gepaart mit dem Charme von Betonbauten vergangener Jahrzente. Ja, Thessaloniki zeigt mir erst einmal die kalte Schulter. Es brauchte einen Moment, bis wir zwei uns besser kennenlernen konnten. Aber inzwischen weiss ich: Saloniki, ich mag Dich!

Blick über Thessaloniki
Blick über Thessaloniki

Thessaloniki sei Griechenlands bestgehütetes Geheimnis habe ein britischer Journalist kürzlich geschrieben, sagt mir Evdokia von der Hotelvereinigung auf unserem Spaziergang durch die Stadt. Sicherheitshalber verschweige ich Evdokia aber erst mal, dass meine ersten Eindrücke ein anderes Bild zeichnen. Die zweitgrösste Stadt Griechenlands versteht es ganz offensichtlich bestens, ihre schönen Seiten erst mal vor dem Besucher zu verstecken. Stattdessen zeigt sie sich mit grauem Wetter, das bestens zusammenpasst mit den schmucklosen Betonbauten, die mir als erstes ins Auge springen. Hier soll ich also die nächsten Tage verbringen? Ich bin nicht überzeugt.

Ganze drei(!) geführte Touren durch die Stadt, so verrät mir mein Terminplan, sollen mich erst mal ablenken. Während mich Dot2dot zu Schauplätzen der Geschichte führen soll, gehts mit „Thessaloniki walking tours“ auf kulinarische Pfade, bevor es mit Handpeak auch noch einen Abstecher in die erstaunlich vielseitige und kreative Szene von Thessaloniki geben soll.

Fast wie auf dem Land: Für einen Schwatz ist immer Zeit.
Fast wie auf dem Land: Für einen Schwatz ist immer Zeit.

Und die Touren verfehlen ihre Wirkung nicht. Plötzlich scheint Saloniki, wie die Einheimischen ihre Stadt nennen, Gefallen an mir zu finden. Zumindest lüftet sie den Schleier vorsichtig, so dass ganz langsam ihr wahres Gesicht zum Vorschein kommt. Finanzkrise? Arbeitslosigkeit oder gar Ausweglosigkeit? Davon spürt man hier nur wenig. „Die da oben machen eh was sie wollen“, meint auch mein Fahrer und zuckt mit den Schultern: „Wir machen einfach das Beste daraus!“. Und tatsächlich: Die typisch griechische Gastfreundschaft gepaart mit purer Lebensfreude lässt einem vergessen, dass man sich in einem krisengeplagten Land befindet.

Jamas! Prost!
Richtig erwachen tut Thessaloniki bei Nacht. In den Gassen der Stadt wandeln plötzlich Menschenströme, von den Dachgärten dringt ausgelassene Stimmung auf die Strassen, Cafes und Restaurants sind urplötzlich voll belegt und aus der Bar an der Ecke dröhnt Musik. Ja Thessaloniki hat eine unheimliche Wandlungskraft: Plötzlich findet man sich in einer Stadt wieder, deren Stimmung ausgelassener nicht sein könnte. Kunststück, denn gerade in den Sommermonaten besteht fast zehn Prozent der Bevölkerung der Universitätsstadt aus Studenten. Die Krise, die  findet hier wohl höchstens zu Bürozeiten statt.

Ohne Essen gehts nirgends in Griechenland.
Ohne Essen gehts nirgends in Griechenland.

Zeit also, sich erst mal kulinarischen Genüssen zu widmen. Und dazu ist man in Griechenland ja richtig – zumindest, wenn man genügend Zeit mitbringt. Essen, das wird hier geradezu zelebriert. Möglichst grosse Familien- und Freundesrunden scharen sich um die mit Essen gefüllten Tische, es wird diskutiert, gelacht und gegessen und Tsipouro, quasi der Grappa der Griechen, darf dabei auf keinen Fall fehlen.

Liebevoll eingerichtet: Restaurant Ouzou Melathron in Thessaloniki
Liebevoll eingerichtet: Restaurant Ouzou Melathron
Essen wie die Götter (und das unter Vogelkäfigen): Restaurant Ouzou Melathron in Thessaloniki
Essen wie die Götter (und das unter Vogelkäfigen): Restaurant Ouzou Melathron

Im Restaurant Ouzou Melathron, zwar mitten im Zentrum, aber trotzdem ziemlich versteckt in einer kleinen, witzig dekorierten Seitengasse, lässt sich der Abend vorzüglich geniessen. Eine tolle Mischung aus traditioneller und moderner griechischer Küche lässt das Herz von Geniessern bei moderaten Preisen höher schlagen.

Umbrellas-Skulptur von George Zongolopoulos in Thessaloniki.
Die Umbrellas-Skulptur von George Zongolopoulos. Man weiss nie, wann man einen Schirm braucht ;-)

Auf Entdeckungstour durch die Stadt
Am nächsten Morgen gehts es auf Entdeckungstour durch die Stadt. Angefangen an der Uferpromenade lädt die erfrischende Umbrella-Skulptur zu einem ersten Stopp ein. Die Skulptur, die anlässlich der Ernennung Thessalonikis 1997 zur Kulturhauptstadt errichtet wurde, stammt vom inzwischen verstorbenen Athener Künstler George Zogolopoulos.

Der Weisse Turm von Thessaloniki
Der (nicht mehr so) Weisse Turm von Thessaloniki

Nur wenige Minuten Spaziergang weiter findet sich mit dem Weissen Turm eines der grossen Wahrzeichen der Stadt. Einst Teil der Stadtmauern, diente der als Verliess und unter der Herrschaft der Osmanen als Schauplatz von Hinrichtungen, was ihm damals den Übernamen Blutturm einbrachte, so dass die Osmanen den Turm kurzerhand weiss anmalen liessen. Heute beherbergt das Bauwerk das Historische Museum der Stadt.

Electra Palace: Eines der besten Hotels Thessalonikis.
Electra Palace: Eines der besten Hotels Thessalonikis.

Vom Weissen Turm ist es nicht weit bis zum Aristoteles-Platz, der zusammen mit der angrenzenden Einkaufsmeile nicht nur Abends zu einem Hotspot wird, sondern auch tagsüber zum Flanieren und einem Zwischenstopp in den kleinen Cafes einlädt. Hier übrigens steht mit dem Electra Palace auch eines der besten Hotels der Stadt. Auf der Terrasse im Dachgeschoss des Hotels bietet sich einem bei Essen oder Trinken ein grossartiger Blick über die Dächer der Stadt.

In Thessaloniki lebt die Graffiti-Szene
In Thessaloniki lebt die Graffiti-Szene

Markttreiben mitten in der Stadt
Womit wir bereits wieder beim Thema Essen wären. Nur wenige Schritte vom Aristoteles-Platz entfernt, kommen die Sinne wieder auf Ihre Kosten, denn hier laden zwei typische Märkte zur Entdeckungsreise. Während der zwischen 1922 und 1930 erbaute Modiano Markt seine besten Zeiten hinter sich zu haben scheint, pulsiert gleich nebenan auf dem Kapani Markt das Leben. Hier taucht man ein in eine kulinarische Reise der Sinne von Fisch und Fleisch über Gemüse bis hin zu herrlich duftenden Gewürzen. Einen Besuch auf dem Kapani Markt kann ich nur jedem wärmstens empfehlen.

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Marktimpressionen aus Thessaloniki
Marktimpressionen aus Thessaloniki

Thessaloniki verdankt ihren Namen dem makedonischen König Kassandros, der den Ort 315 vor Christus gründete und ihr den Namen seiner Frau Thessalonike, einer Halbschwester Alexanders des Grossen, gab. Kein Wunder also, dass Thessaloniki auch für geschichtlich interessierte einiges zu bieten hat. Auch bei den Erkundungstouren durch die Stadt stösst man immer wieder auf Ausgrabungsorte und Monumente aus vergangenen, grossen Zeiten.

Der Galeriusbogen. Spätrömischer Triumphbogen mitten in Thessaloniki
Der Galeriusbogen. Spätrömischer Triumphbogen mitten in Thessaloniki
Geschichtsträchtig: Das römische Forum mitten in Thessaloniki.
Geschichtsträchtig: Das römische Forum mitten in Thessaloniki.

Überhaupt empfand ich das Schlendern durch die Strassen von Thessaloniki äls äusserst inspirierend. Noch selten hatte ich in einer Stadt derart das Gefühl, dass hinter jeder Ecke immer etwas Neues nur darauf wartet, entdeckt zu werden.

Eigentlich ist es wie im richtigen Leben: Thessaloniki, ganz Frau, zeigt sich erst mal zurückhaltend und offenbart ihre Geheimnisse erst, als wir uns besser kennen. Aber es lohnt sich, sich Zeit für die junggebliebene Dame zu nehmen…

Unterkunft

Holiday Inn Thessaloniki
Typisches Mittelklasse-Hotel der amerikanischen Kette. Zwar in einer etwas trostlosen Umgebung, dafür haben die Zimmer Balkone (was den Raucher freut). Das Zentrum ist mit einem 10-minütigen Spaziergang zu erreichen. Zimmer ab Fr. 75.-/Nacht
Wo? Monastiriou 8, Thessaloniki

Electra Palace Thessaloniki
5-Stern-Hotel mitten am bekannten Aristoteles-Square gelegen. Zimmer ab Fr. 160.-/Nacht.
Wo? 9 Aristotelous Square, Thessaloniki

Hyatt Regency Thessaloniki
Tolles 5-Stern Hotel etwas ausserhalb in der Nähe des Flughafens – trotzdem ruhig und im gewohnten Regency Stil. Toller Garten und Pool. Zimmer ab Fr. 130.-/Nacht.
Wo? 13 kilometres -Perea, Thermi

Essen

Ouzou Melathron
Typisch griechisches Restaurant in einer ruhigen Seitengasse gelegen. Wenig Touristen, dafür umso mehr original-griechische Küche.
Wo? Karipi 21, Thessaloniki


Panellinion
Wer zuerst gemütlich essen will, bevor er sich ins Nachtleben stürzt, ist hier richtig. Das Lokal verwandelt sich kurz vor Mitternacht in einen veritablen Club.
Wo? Doxis 1, Thessaloniki

Impressionen aus Thessaloniki.
Impressionen aus Thessaloniki.

(Disclosure: Die Reise fand auf Einladung von Visit Greece und der Thessaloniki Hotels Association statt.)